Blogger der Woche: Yazan Badran

Yazan BadranEin syrischer Blogger in Japan? Niemand geringerer als unser syrischer Autor und Redakteur des arabischen Lingua, Yazan Badran, der bereit war, mit uns im rahmen der Blogger of the Week Reihe ein Interview zu führen.

Wer ist Yazan Badran und was tut er? Was interessiert und was stört ihn?
Ich bin Syrer – und ein Mensch. Ich bin in Latakia aufgewachsen, eine kleine verschlafene Stadt im östlichen Mittelmeerraum. Früher verbrachte ich die Sommer in Beirut, das etwas weniger verschlafen ist. Kulturell bin ich ganz Levante.
Meine Eltern waren Marxisten und meine Großeltern respektierte religiöse Führer, eine der vielen Paradoxien in meinem Leben, die mir interessante Einblicke in viele Welten ermöglichte. Ich empfinde es als Privileg, solche Einsichten in so frühen Jahren haben zu können.

Ich habe ein tiefes Interesse an Menschen, der Mensch steht für mich auf extreme Art im Mittelpunkt. Meine Interessen? Zuerst und vor allem: Reisen. Danach kommen Philosophie, Literatur, Fotografie, Politik und Technik.

Was mich stört? Das ist ein dünnen Eis. Ich kann mich schnell aufregen (ich bin nicht immer stolz darauf), ob nun jemand seinen Einkaufswagen in der Mitte des Ganges stehen lässt oder ich die Fox News sehen muss.


Was studierst du in Japan, und was hat es mit Bloggen zu tun?
Nun, ich habe ein Monbukagakusho Stipendium und studiere Informatik an der Technischen Hochschule Nagayo. Was das mit Bloggen zu tun hat? Kommt drauf an. Das Studium selbst wirkt sich kaum auf mein Bloggen aus, denn ich schreibe kaum über Technik. Aber die kulturellen Erfahrungen, die ich in Japan gesammelt habe und das Erlernen der (sehr) fremden Sprache haben meine Themen und meinen Stil beeinflusst.


Wie lange arbeitest du schon bei GVO, und warum hast du angefangen?
Ich stieß im Februar 2006 auf Global Voices. Die Aufstände in Damaskus griffen die norwegische und die dänische Botschaft an. Darüber schrieb ich meinen ersten Artikel für Global Voices. Manchmal war es schon schwer hinzusehen, geschweige denn darüber zu schreiben. Aber die Menge und die Art der Reaktionen in der syrischen Blogosphäre sind einer der Gründe, warum ich blogge und bei GV aktiv bin. Natürlich geht es auch um die Verdienste von GV: Sie haben viele Themen aufgenommen, die andere Medien ignoriert haben, obwohl es manchmal wirklich bedeutende Themen waren. Es gibt zwei Gründe, warum es mir so wichtig scheint, Syrien in so einer vielfältigen Umgebung zu vertreten: Zum einen die kleine, junge Blogosphäre, die Motivation braucht und schnell wächst. Zum anderen will ich auch die ‘Individuen’ vertreten, denn ganau dafür habe ich mit dem Bloggen angefangen.


Wie kann man die syrische Blogosphäre kurz beschreiben? Was interessiert dich als syrischen Autor an dieser Gemeinschaft? Wenn liest du am liebsten, und über was schreibst du selbst? Spiegeln die syrischen Blogger die syrische Gesellschaft wider?

Als ich mit dem Bloggen im Juni 2005 anfing, gab es vielleicht acht syrische Blogger. Als ersten las ich Ayman Haykal, sein Enthusiasmus war ansteckend und hat sicher viele von uns motiviert, weiter zu machen.
Jetzt ist alles anders, die Blogosphäre wächst rasend schnell. Noch wichtiger ist, dass auch die Qualität steigt. Das Wachstum wurde im vergangenen Jahr gehemmt, als die Regierung alle Blogspot-Blogs sperrte, aber die Gemeinschaft erholt sich, und viele Blogger sind noch motivierter zurückgekehrt, wir sind einfach zu anderen Anbietern gegangen, um die Zensur zu umgehen.
Ich kann nicht wirklich beurteilen, ob wir die syrische Gesellschaft widerspiegeln. Viele der Blogger leben im Ausland (wie ja auch ich), und auch die Blogger in Syrien bloggen meist auf Englisch. Neuerdings schreiben aber auch immer mehr auf arabisch. Das ist ein gutes Zeichen, dass das Bild von Syrien in den Blogs nun realistischer wird.
Es gibt viele großartige Blogger, viele sind gute Freunde geworden. Ich kann nur einige nennen. Natürlich Ayman Haykal. Abu Fares ist hier bekannt wie ein Rockstar, ich habe ihn mal für GV interviewt. Omar Faleh, dessen Texte mir viel bedeuten. Razan Ghazzawi, dessen Überzeugung, Enthusiasmus und Aktivität, sowohl im Real Life als auch in der Blogospäre, mich im letzten Jahr sehr inspiriert haben. Und natürlich viele andere – Rime Allaf, The Syrian Brit, Omar Salaymeh, Sasa, Abu Kareem, Wassim.

Beschreib uns deine Arbeit für Arabic Lingua, und erzähl uns von deinen Plänen und Hoffnungen für die Site.
Ich bin Redakteur von Arabic Lingua. Ich leite ein tolles Team von freiwilligen Übersetzern und übersetze auch selbst.
Lingua scheint ein logischer Schritt zum Ausbau von GVO zu sein. Wie es schon andere gesagt haben: Um uns ‘global’ zu nennen, müssen wir in allen Sprachen unterwegs sein. Jetzt spricht GV über 10 Sprachen. Das ist mehr als nur beeindruckend. Arabic Lingua ist ein Teil dieser Familie. Es ist so wichtig, diese tollen Geschichten von überall auf der Welt zu den arabischen Lesern zu bringen. Wir mussten eine Brücke bauen zwischen den arabischen und den englischen Bloggern unter uns. Wenn ich einen Artikel übersetze, bringe ich ihn zu einem ganz neuen Publikum, dass ihn sonst nicht lesen würde.
Arabic Lingua ist noch sehr jung, wir haben vor gerade einmal einem Jahr angefangen. Wir versuchen nun einen Artikelfluss zu erzeugen und zu halten, um eine Leserschaft aufzubauen. In der Zukunft wollen wir uns bei den Übersetzungen noch mehr auf andere Regionen zu konzentrieren, um den Horizont der Seite zu erweitern. Auch die Qualität ist sehr wichtig, wir müssen Methoden entwickeln, die Qualität einer Übersetzung zu beurteilen und zu verbessern, das ist besonders wichtig, weil wir alle Amateure sind.

Was tust du, wenn du nicht online bist? Was sind deine Hobbys und Interessen?
Ich bin sehr gerne draußen. Ich fühle mich sowohl am Meer als auch in den Bergen zuhause. Ich liebe es, die Tage in den wunderschönen Bergen hier in Japan zu verbringen und in den Nächten zu zelten. Reisen sind mir sehr wichtig. Zu meinen schönsten Erinnerungen zählen die ganz einfachen Gespräche und alltägliche Begegnungen auf Reisen. Mit Schwimmen, Walken und Basketball versuche ich mich in Form zu halten. Musik und Bücher sind für mich ebenso bedeutend wie Politik. Auch sehe ich gerne Filme von Stanley Kubrick oder Woody Allen, bei einem Glas Wodka.


Kannst du uns erzählen, wie es ist, ein Araber in Japan zu sein? Wie unterschiedlich sind die Bräuche unt Traditionen, Menschen und Verhalten?

Japan ist eine sehr spannende Erfahrung. Aber wie jede spannende Erfahrung ist auch diese sehr schwierig. Es geht nicht so sehr darum ein Araber in Japan zu sein, als vielmehr ein Ausländer in Japan. Über dieses Phänomen wird immer wieder gesprochen, darum werde ich hier nicht darauf eingehen.
Wie unterschiedlich ist es? So unterschiedlich wie irgend möglich. In Syrien hat jeder Mensch und jeder Stein einen extrem komplexen ethnischen, geschichtlichen, religiösen und sozialen Hintergrund. Japan war als Insel bis vor 200 Jahren isoliert, und hat so eine ganz besondere Kultur entwickelt. Das beeinflusst viele Teile des Alltags. Japan ist ein Land, in dem man dazu gehören muss, um bequem zu leben. Aber das akzeptiert man nicht so einfach. Jeder Tag ist hier eine Erfahrung. Das besondere ist, dass diese Erfahrungen zwischen den Extremen schwanken.


Ein letzter Gedanke?

Vielen Dank für diese wundervolle Gelegenheit. Ich bin sehr stolz, ein Teil der GV-Familie zu sein, zusammen mit dem tollen Team von freiwilligen Autoren und Übersetzern. GVO ist ein Symbol dafür, wie das Internet die Welt und uns selbst verbessert hat.

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